Dankbarkeit fürs Staubsaugen!

Ja, ich hatte eine Haushaltshilfe. Wie eins dieser Weiber, deren Mann im Aufsichtsrat sitzt oder eine TV-Rateshow produziert oder irgendwas mit Immobilien macht. Und ich war dem Schicksal dankbar dafür! Quatsch – ich war Beate dankbar dafür, dass sie mich in ihre Kundenkartei aufgenommen hatte. Denn es gibt keine erniedrigendere Tätigkeit, als den Dreck der Familie wegzumachen. Während der Putzarbeit halluziniert man die hellen Stimmchen und die strahlenden Gesichter seiner Lieben, wie sie begeistert in den blanken Spiegel blicken oder die blitzende Kloschüssel einweihen werden. Doch dann stand ich, als ich noch selbst putzte, in meiner Schürze daneben, wenn sie reinpolterten und die Wohnung übernahmen: Die Pinkelkeramik ohne Urinflecken, der Spiegel im Flur ohne Rotzspuren, die klebrige Stelle vor dem Kühlschrank, verschwunden – sie bemerkten es nie!

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Guido Sieber

Am ekelhaftesten aber ist, dass Hausarbeit nicht bezahlt wird. Frau kann fürs Putzen nicht einmal den Stundensatz eines Gas-Wasser-Scheiße-Lehrlings (zuzüglich Anfahrt) berechnen, kriegt weder Rentenpunkte noch Steuerfreibetrag oder von der Krankenkasse einen Wellnessgutschein. Niemand ahnt, wie widerlich es ist, die Haarbüschel von fünf Menschen mit den Fingernägeln aus dem Abfluss zu ziehen oder die Scharniere der Klobrille mit der Zahnbürste von Verkrustungen zu befreien. Manchmal nahm ich dazu die Zahnbürste meines Ältesten, aus Rache, denn der pisst heimlich im Stehen.

Aber dafür hatte ich ja jetzt Beate.

Eines Morgens stand sie weinend an meinem Bett (sie hatte natürlich einen Schlüssel). Ob ich nicht – bitte! – noch etwas Dreckwäsche oder ein schmutziges Fenster für sie hätte. Sie käme nicht auf ihre Wochenstunden. Sie habe schon überlegt, in ihren Zweitberuf als Bankerin zurückzukehren. Als Putzfrau habe sie jahrelang so gut, unverschämt gut verdient, dass sie die Wohnungen, die sie putzte, kaufen konnte, als der Inhaber pleite war. Aber nun sei alles zusammengebrochen. Termine würden abgesagt und Schlüssel zurückverlangt.

Ich versprach ihr, mich umzuhören, aber Beate hatte recht – keine meiner berufstätigen Muttifreundinnen wollte mehr putzen lassen. Im Gegenteil, sie lehnten das kategorisch ab. Aus prinzipiellen moralischen, weltanschaulich, humanitären oder religiösen Gründen. Wahrscheinlich war ich die letzte, die sich in Berlin eine Putzsklavin hielt.

Beate kam nun täglich und sie übernahm den gesamten Haushalt. Sie sortierte die Legosteine nach Farben, sie kämmte die Teppichfransen, sie fütterte die Silberfische und kochte sogar. Bei uns duftete es nach Gugelhupf und Himbeergelee, es wurden Gürkchen eingekocht, selbstgemachte Nudeln hingen zum Trocknen vom Kronleuchter, frisch gepresste Säfte wurden auf Wunsch serviert. Die Kinder bekamen selbstgebackenes Schulbrot mit ihren Initialen und jeden Tag eine süße Überraschung aus aller Welt; Macarons, Tiramisu, Mochis, Dubai-Schokolade, alles aus eigener Herstellung. Meine Familie begann Beate wahrzunehmen. Der Sohn schenkte ihr Blumen, mein Mann lobte ihre Frisur, und die Tochter wünschte sich, wenn sie groß ist, auch mal so eine gute Hausfrau zu sein.

Ich konnte es nicht fassen – Dankbarkeit für Hausarbeit? Warum knieten sie nicht gleich vor Beate nieder, versendeten Luftküsse und sangen ihr Frühlingslieder? Und warum kann ich das nicht auch haben?!

»Ich will Hausfrau sein«, verkündete ich meinem Mann. Und was wir an Geld sparen könnten, wenn ich selbst putzen und kochen und waschen würde.

»Aber Liebes«, hub er an, »deine Arbeit, das bist doch DU! Mit deiner Arbeit machst du die Welt zu einem besseren Ort. Außerdem bist du hausfraulich nicht ausgebildet.«

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Ich feuerte Beate und entdeckte meine neuen Vorbildfrauen im Internet. »Tradwife« – ein Kofferwort aus »traditional« und »wife«, also »traditionelle Ehefrau« – heißt der Trend, und er begeistert Millionen – vor allem auch Männer. Diese Frauen haben alles: Liebreiz, hübsche Kinder, schöne Zähne, einen perfekten Vorgarten, und sie lieben es, die Familie zu versorgen. Dafür bekommen sie auch noch die Anerkennung ihrer ureigensten, ihrer geschlechtsspezifischen Bestimmung als Hausfrau!

Genau das fehlte mir.

Meine Schwestern im Geiste zeigen sich auf Instagram dabei, wie sie im sexy Cocktailkleid Teig kneten, Teppiche klopfen und am Abend dem Gatten die Ohrläppchen massieren. Sie stopfen mit Hingabe genüsslich Wurstbrät in Naturdarm, wenn er um Mitternacht Lust auf Hotdogs hat, aber zu besoffen ist, zur Tanke zu fahren. – Das kann ich auch, dachte ich und bestellte eine Kiste Schweinedärme bei Temu.

Gewisse elementare Fähigkeiten wurden mir allerdings in frühester Jugend durch die Diktatur ausgetrieben, hausfrauliche Basics einfach nicht überliefert, seit sich meine Oma zur Brigadeleiterin »Unter Tage« im Uranbergwerk und meine Mutter zur Stahlgießerin hochgearbeitet hatten. Das »Eigentliche« im Leben – Kragen steifen, Deckchen häkeln, Brot backen, Krawatten binden, Weihnachtsschmuck drechseln –, nichts davon hatte ich gelernt.

Auf anderes wäre ich selber nie gekommen: Dass man geschminkt und gestylt sein muss, bevor (!) der Gatte seinen Morgenurin absetzt, und nicht etwa im Bademantel am Frühstückstisch erscheint – das wusste ich nicht. Auch bringe ich ihm jetzt die angewärmten Hausschuhe mit einem Bier drin. Und sein Lieblingsessen – Dosenravioli – ist stets im Handumdrehen auf den Tisch gezaubert.

Wenn er heimkommt, gebe ich mir Mühe zu lächeln und frage nicht gleich, wieso er wieder ’ne Fahne hat. Harmonie ist bei uns eingezogen.

Ich weiß jetzt, wie man Milch zu Butter macht, wie man einen Fisch ausnimmt, ohne den Dickdarm zu perforieren, und wie Trüffelrisotto mit Blattgold gelingt.

Über unsere Jobs sprechen meine Freundinnen und ich nicht mehr.

Wenn wir mal ehrlich sind: Karriere und Familie ist doch zu anstrengend. Und wer wirklich bei den Kerlen mitspielen will, muss es machen wie Alice Weidel und sich eine Frau für zu Hause suchen. Mit Männern wird das nichts. Die neuen Aktivistinnen ebnen uns den Weg in ein schöneres, harmonischeres und stressfreieres Leben. Ein blitzblankes Heim, wohlerzogene Kinder, wohlriechende Speisen und ondulierte Haare, mehr will eine Frau doch nicht.

Hoffentlich verdient der Kerl genug für zwei.

FELICE VON SENKBEIL