Der Energiemittelstand in der Corona-Krise – Handlungen, Strategien, Chancen

Drei Fragen an Dienstleister und Zulieferer (Teil 2): Tokheim Service GmbH & Co. KG und Alfred Kärcher SE & Co. KG

eot. Seit dem Beginn der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise haben wir in einer Schnellbefragung jeweils drei Fragen an Geschäftsführer aus Unternehmen der Energiebranche gestellt. Die Artikelserie ist frei zugänglich im neuen Online-Angebot des eot nachzulesen. Unter www.oil-telegram.de/eot-online ist eine einmalige Registrierung erforderlich, um auf die kostenfreien Artikel sowie weitere Bezahlinhalte zugreifen zu können.

In der zurückliegenden Woche haben bereits Patrick Steppe, Vorstandsvorsitzender der Lekkerland SE & Co. KG, sowie Torsten Eichinger, Geschäftsführer der Marketing und Convenience-Shop System GmbH, in dem ersten Teil dieser Rubrik die drei Fragen beantwortet, und eine Bewertung der Situation sowie Einschätzungen der langfristigen Auswirkungen auf ihr Geschäft und die gesamte Wertschöpfungskette abgegeben.

Im zweiten Teil dieser Interviewrunde haben sich Jochen Schraff, Geschäftsführer der Tokheim Service GmbH & Co. KG, sowie Gerhard Stadler, Director Global Sales & Product Management Vehicle Wash der Alfred Kärcher SE & Co. KG, zu den folgenden Fragen geäußert:

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich für die Beiträge und damit die Unterstützung und Anerkennung unserer Arbeit bedanken. In den folgenden Wochen werden wir unsere Leserinnen und Leser in dieser außergewöhnlichen Situation weiter fachlich begleiten.

Wenn Sie Fragen haben, die wir im Rahmen dieser Artikelserie beantworten sollen, nehmen Sie bitte jederzeit Kontakt zu unserer Redaktion auf: per E-Mail an verlag@oil-telegram.de oder unter der Telefonnummer 040/251113.


Jochen Schraff, Geschäftsführer der Tokheim Service GmbH & Co. KG (Foto: TSG)

Jochen Schraff, Geschäftsführer der Tokheim Service GmbH & Co. KG, 07.04.2020

Zu Frage 1: Die internationale TSG Tokheim Service Group mit rund 4.000 Mitarbeitern und zweistelligem Umsatzwachstum, hat sich in den letzten Jahren im Rahmen des dynamischen Marktumfeldes rund um die Energieversorgung für die Mobilität neu aufgestellt. Wir haben einen starken Fokus auf Bereiche wie Infrastrukturentwicklung und Maintenance für technische Anlagen für Gas, Wasserstoff und Elektromobilität gelegt, aber auch unsere Geschäftsfelder Payment/Cloudservices und CarWash vorangetrieben. Diese breite Aufstellung und der hohe Anteil des Servicegeschäfts hilft uns, in der Krise bisher befriedigend zu bestehen.

In unserem klassischen Tankstellengeschäft hatten wir seit Mitte März Einbußen zu verzeichnen, da das von uns betreute technische Equipment weniger genutzt wurde und einige wenige Baustellen sich verzögerten. Diese Entwicklung war regional ausgeprägt und für die verschiedenen Kunden – zu unserer Überraschung – sehr unterschiedlich. Ein guter Auftragsbestand im Projektgeschäft und starke erste 12 Wochen des Kalenderjahres konnten unsere Geschäftsentwicklung auf gutem Niveau halten. Per Ende März gab es in unserem Ergebnis – wie vermutlich bei allen Zulieferern mit Schwerpunkt Deutschland – keinen nennenswerten negativen Effekt durch die Corona-Krise.

Wir rechnen jedoch aufgrund der aktuell reduzierten Investitionstätigkeit und dem Kostendruck in allen Bereichen unserer Kunden mit einer zeitlich verzögerten negativen Auswirkung. Um rechtzeitig reagieren zu können, haben wir ein Reporting aufgebaut, in dem wir täglich die Entwicklung des Eingangs neuer Aufträge und Störungen zu den erwarteten Normal- und Vorjahreswerten sehen und Maßnahmen einleiten können. Dank Unterstützung der Belegschaft und des Betriebsrates konnten wir alle klassischen Instrumente zur flexiblen Anpassung der Kapazität bereits im März umsetzen.

Ein weiterer betriebswirtschaftlicher Schwerpunkt ist die Intensivierung des Cashmanagements, da nicht abschätzbar ist, ob Kunden ihr Zahlungsverhalten verändern werden oder in wirtschaftliche Schieflagen geraten könnten. Hier hat die gesamte TSG alle Instrumente aktiviert, um den finanziellen Spielraum auch für eine etwaige Verschärfung der Krise oder einen Rückschlag zu erweitern. Durch die existierende starke HSSE-Organisation gab es intern bereits eine Struktur, um derartige Krisen bestmöglich zu bewältigen. Unsere Kunden werden aktuell keinen Rückgang der Performance und des Leistungsangebotes bei uns feststellen.

Zu Frage 2: Die Krise wirkt sich sowohl im jeweiligen Produktbereich, als auch in der geografischen Betrachtung bei der Tokheim Service Group sehr unterschiedlich aus. Auf die Unterschiede im Service und Projektgeschäft im klassischen Tankstellenbereich bin ich bereits eingegangen. Wir sehen aber auch Unterschiede bei unseren neuen Energiesparten und auch im Bereich Payment.

Die Projekte im Bereich Gas, Wasserstoff und Elektromobilität werden durch unsere Kunden derzeit weiterhin mit großer Dynamik vorangetrieben. Speziell bei der E-Mobilität muss man erwähnen, dass hier auch viele Investoren aus Logistik und Lebensmitteleinzelhandel, welche keine negativen Umsatzauswirkungen zurzeit haben, zu unseren Kunden gehören.

Einen klaren Trend, welchen wir aktuell verspüren, ist die bargeldlose Bezahlung. Der deutsche Rückstand im internationalen Vergleich bei der Kartennutzung scheint über die Krise und die empfohlene Zahlung mit Karten in Bewegung gekommen zu sein. Wir sehen jetzt auch eine verstärkte Nachfrage für unsere mobilen Paymentlösungen.

In der Länderbetrachtung sind wir in Deutschland im Vergleich zu unseren südeuropäischen Kollegen nicht so hart getroffen. Die deutsche Regierung und die Bundesländer haben aus meiner Sicht konsequent, aber dennoch mit Feingefühl gehandelt. Der Lockdown wurde in Deutschland nicht so kompromisslos wie in Italien, Spanien oder Frankreich umgesetzt. Dies spiegelt sich auch klar an der Geschäftsentwicklung im Bereich der Tankstellen in den genannten Ländern wider.

Zu Frage 3: Wenn wir in dieser Krise etwas gelernt haben, ist es die Tatsache, dass trotz umfangreicher und systematischer Risk Assessments nicht vorhersehbare Dinge geschehen und eine Dynamik entwickeln können, die kaum prognostizierbar war. Insofern sind wir vorsichtiger geworden und stellen uns auf eine größere Schwankungsbreite der zukünftigen Entwicklung ein.

Spannend wird sein, wie die Menschen ihre Einstellung und Verhalten durch diese Krise ändern werden. Mit 400 Menschen zehn Stunden in einem Flugzeug zu sitzen, eine überfüllte U-Bahn zu nutzen oder einer von 3.000 Passagieren eines Kreuzfahrtschiffes zu sein, ist für die überwiegende Mehrheit der Menschen aktuell schwer vorstellbar. Was diese Verhaltensänderungen an positiven und negativen Effekten für den Retailbereich der Tankstellenbranche bedeutet, ist nicht abschätzbar.

Auf der Basis der uns bekannten Informationen gehen wir davon aus, dass unsere wichtigste Branche geringere Auswirkungen und eine schnellere Erholung verzeichnen wird. Gleichzeitig stellt jede Krise auch eine Chance dar. Es wird sicherlich Unternehmen geben, welche diese Zeit nicht überstehen werden. Aufgrund der stark diversifizierten Aktivitäten der TSG im internationalen Umfeld und der bemerkenswerten finanziellen Stabilität gehe ich davon aus, dass wir diese Krise meistern werden und vielleicht auch besser als einige Marktbegleiter daraus hervorgehen können. Wir besetzen die richtigen Zukunftsthemen in unserer Industrie.

Unsere Kunden, die TSG-Gruppe mit jedem einzelnen Mitarbeiter und auch alle anderen Akteure im Markt müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen und mit ihnen umgehen lernen. Keiner weiß augenblicklich genau, wie lange wir mit den sozialen Einschränkung und den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie leben müssen. Die ursprüngliche Sicht und Hoffnung, dass dies nur eine kurze Episode ist, teilen wir aktuell nicht mehr. Was zählt, ist Augenmaß in allen Belangen und bei allen Beteiligten.
Es gab in den ersten Wochen der Krise auf Kunden- und Lieferantenseite Vorstöße, die sehr stark das Eigeninteresse betont haben. Wir versuchen in diesen Konflikten das Gemeinsame zu betonen und ausgewogene Lösungen in dieser für alle schweren Zeit zu initiieren. Damit hoffen wir bei unseren Geschäftspartnern und Mitarbeitern auf einen breiten Konsens zu treffen. Die Krise bewältigen wir im Großen und im Kleinen nur mit Sachverstand, Unaufgeregtheit und einer Prise Optimismus.


Gerhard Stadler, Director Global Sales & Product Management Vehicle Wash der Alfred Kärcher SE & Co. KG. (Foto: Kärcher)

Gerhard Stadler, Director Global Sales & Product Management Vehicle Wash der Alfred Kärcher SE & Co. KG, 07.04.2020

Zu Frage 1: Die Geschäftsentwicklung ist aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise sehr volatil. Grund hierfür ist, dass bedeutende Absatzkanäle (und Produktionsstandorte) in unseren Kernmärkten wie China, Frankreich und Italien zeitweise geschlossen waren. Unser Risikomanagement war jedoch auf den Fall einer Pandemie vorbereitet. So wurden rechtzeitig mögliche Auswirkungen im Vorfeld analysiert und nun laufend aktualisiert. Ein Krisenmanagementteam, das Ende Januar eingerichtet wurde, umfasst alle zentralen Abteilungen und fokussiert sich auf verschiedene präventive Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Infektion.

Zu Frage 2: Wenn auch geringer als in anderen Märkten, wie beispielsweise Frankreich, zeigt sich auch in Deutschland ein deutlicher Rückgang im Tankstellenmarkt. Aufgrund der Corona-Krise und den damit einhergehenden Investitionskürzungen bei den Ölgesellschaften ist somit auch ein Absatzrückgang von Waschanlagen zu erwarten.

Autohäuser, ein anderer wichtig Zielmarkt in diesem Bereich, sind jedoch deutlich stärker betroffen. Auch hier wird voraussichtlich nachrangig in Waschanlagen investiert. Vergleichsweise stabil zeigt sich dagegen das Investorengeschäft.

Zu Frage 3: Auch wenn die Produktion in unseren Werken wieder vollständig angelaufen ist, wird es noch einige Zeit dauern, die gesamte Lieferkette zu stabilisieren. Wir sind zuversichtlich, dass es zu einem Nachholeffekt kommen wird. Wir beobachten die dynamische Entwicklung sehr genau, um jederzeit sofort und angemessen reagieren zu können.

Wichtig ist nun die Rückkehr zum normalen Betrieb vorzubereiten und alle Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung unserer Prozesse ergriffen wurden, sorgfältig zu evaluieren.