Jahrelang falsch eingestuft: Förderschüler siegt vor Gericht

ZU UNRECHT FÜR GEISTIG BEHINDERT GEHALTEN

Jahrelang falsch eingestuft: Förderschüler siegt vor Gericht

Insgesamt elf Jahre verbrachte Nenad M. auf einer Sonderschule. Zu Unrecht, befand jetzt das Kölner Landgericht und verurteilte das Land NRW zu Schadenersatz. Die falsche Einstufung als Förderschüler habe dem jungen Mann seine Chancen auf Bildung genommen.

Als Kind kommt Nenad M. mit seiner Familie aus Serbien nach Deutschland. Obwohl er kein Wort Deutsch spricht, muss er an einer bayerischen Schule einen Intelligenztest machen. Ein Dolmetscher ist dabei nicht anwesend. Fortan gilt der Junge als geistig behindert. Diese falsche Einstufung prägt seine gesamte Schulzeit, lässt ihn und seine Eltern nahezu verzweifeln.

Ein Leben lang unterfordert

Auch als die Familie nach Köln zieht, bleibt Nenad nur der Besuch der Förderschule. Hier ist er dramatisch unterfordert. Doch trotz guter Zeugnisse bescheinigt ihm die Schule jedes Jahr erneut den Förderbedarf. Erst kurz vor seinem 18. Geburtstag gelingt ihm der Wechsel an ein Berufskolleg. Mit der Note 1,6 holt er dort als Klassenbester seinen Hauptschulabschluss nach.

Der Kölner Elternverein mittendrin e.V. hat Nenad bei seinem späten Schulwechsel unterstützt und hilft ihm auch bei der juristischen Aufarbeitung: Er erhebt Schadenersatzklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen.

Förderbedarf zu Unrecht festgestellt

Das Kölner Landgericht gibt dem mittlerweile 21-Jährigen recht und spricht ihm Schadenersatz zu. In dem Urteil stellen die Richter Verstöße der Landesbediensteten gegen ihre Amtspflichten fest. Den Pädagogen hätte auffallen müssen, dass keine geistige Behinderung vorlag. Trotzdem bestätigten sie den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bei den jährlichen Überprüfungen immer wieder aufs Neue.

SoVD fordert inklusives Schulsystem

Auf den großen Handlungsbedarf im Bereich der gemeinsamen Beschulung behinderter und nichtbehinderter Kinder hat der SoVD wiederholt hingewiesen. Eine Verweigerung von Teilhabe wie auch eine falsche Einstufung haben für die Betroffenen enorme Belastungen zur Folge. Der Fall aus NRW kann daher stellvertrend gesehen werden für ein Schulsystem, das aufgrund seiner Einteilung in Sonder- und Regelschule immer wieder zu ungleichen Chancen führt. Eine inklusive Schule würde aus Sicht des SoVD dagegen für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Den Film "Schule für alle – Das Recht auf Inklusion" von SoVD TV können Sie hier ansehen.

Eine Broschüre mit den Forderungen und Vorschlägen des SoVD zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention können Sie hier herunterladen.

TEXT: REDAKTION / JOB, FOTO: FEDERICO GAMBARINI / DPA.

30. Juli 2018